Dass der Klimawandel zu einem existenziellen Problem werden kann und durchaus bereits geworden ist, hat uns kein Jahr deutlicher gezeigt als das vergangene. Mit Hitzerekorden, Ernteeinbußen und Hochwasserkatastrophen, ist der Klimawandel allgegenwärtig. Doch besonders betroffen sind nicht die westlichen und mitteleuropäischen Länder, sondern vor allem der globale Süden (vgl. UNHCR: Klimawandel könnte zum Hauptfluchtgrund werden, ZAR 2010, 120). Dieser Artikel soll verdeutlichen, dass insbesondere die Länder, die nicht die primären Treiber des Klimawandels sind, von dessen Auswirkungen besonders schwer betroffen sind. Es ist zu beleuchten, was sich hinter dem Begriff der Umweltmigration verbirgt, welche Auswirkungen der Klimawandel bereits jetzt hat und welche Lösungsansätze verfolgt werden.
Bei Umweltmigration handelt es sich um einen komplexen Prozess, der mit einer Vielzahl von sich gegenseitig beeinflussenden Faktoren zusammenhängt. Umweltveränderungen werden durch fragile Regierungsführungen, Bevölkerungswachstum und mangelnde Anpassungsfähigkeit verstärkt und führen zu Migrationsbewegungen (vgl. Brown, Migration and Climate Change, 2008: 9f.) Die Bezeichnungen Umweltflüchtling oder Klimaflüchtling sind allerdings zu ungenau, da der Begriff Flüchtling impliziert, dass ein offizieller internationaler Rechtsstatus für Umweltmigration existiert. Allerdings gibt es keine verbindliche völkerrechtliche Regelung, die sich auch ausdrücklich auf Umweltmigration bezieht. Deshalb spricht sich die Internationale Organisation für Migration (IOM) gegen die Bezeichnung des Begriffs Umweltflüchtling aus, die betroffenen Personen werden stattdessen als environmentally displaced persons oder als Umweltmigrant:innen definiert. Umweltmigration wird unter anderem auch als climate and environmentally induced migration bezeichnet (vgl. WBGU, Welt im Wandel: Sicherheitsrisiko Klimawandel, 2008: 126). Nach der Internationalen Organisation für Migration handelt es sich bei Umweltmigrant:innen um „Personen oder Personengruppen, die überwiegend aufgrund plötzlicher oder fortschreitender Umweltveränderungen, die ihr Leben oder ihre Lebensbedingungen beeinträchtigen, gezwungen sind oder sich dafür entscheiden, ihre Heimat zu verlassen, sei es vorübergehend oder dauerhaft, und die innerhalb ihres Landes oder ins Ausland umsiedeln.“ (IOM, World Migration Report, 2011: 33)
Umweltmigration kann damit sowohl freiwillig als auch gezwungen, grenzüberschreitend oder innerstaatlich erfolgen. Bei den meisten Personen handelt es sich nach dem UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) um letztere, sogenannte Binnenvertriebene bzw. internally displaced persons, die häufig in nächstgelegenen Gebieten Zuflucht suchen, anstatt internationale Grenzen zu überschreiten. Allerdings erhalten Flüchtende nur Schutz, wenn sie aufgrund von gewaltsamen Konflikten und politischer Verfolgung ihre Heimat verlassen.
Der UNHCR schätzt die Anzahl der Menschen, die aufgrund des Klimawandels und seiner Auswirkungen flüchten müssen, gegenwärtig bereits auf durchschnittlich 23 Millionen im Jahr (vgl. UNO Flüchtlingshilfe, Was hat der Klimawandel mit Flucht zu tun?). Das entspricht in etwa zweimal der Bevölkerungszahl von Baden-Württemberg. Dabei stammen 90% der Menschen aus Regionen, die oftmals weltweit zu den wirtschaftlich schwächeren Ländern gehören. Diese Länder sind weder die vornehmlichen Beförderer des Klimawandels, noch haben sie ausreichend Ressourcen, um dessen Auswirkungen zu verhindern, oder auch nur abzumildern. Es handelt sich in der Regel um bereits krisengeschüttelte Länder wie Syrien, Venezuela, Afghanistan, Südsudan und Myanmar. Langanhaltende Dürren und zunehmende Naturkatastrophen sorgen dafür, dass Menschen ihre Heimat verlassen müssen, oder sich aufgrund von Perspektivlosigkeit dazu entscheiden. Die ohnehin bereits herrschende Ressourcenknappheit in den betroffenen Ländern wird noch verstärkt. Folge ist, dass immer mehr Menschen um immer weniger werdende Ressourcen kämpfen müssen (vgl. UNO Flüchtlingshilfe, Was hat der Klimawandel mit Flucht zu tun?). Eine der vielen problematischen Auswirkungen des Klimawandels ist eine drohende und vielerorts bereits bestehende Wasserknappheit. Es steht nicht ausreichend Trinkwasser zur Verfügung, wodurch oftmals auf verunreinigtes Wasser zurückgegriffen wird. Dies birgt eine erhebliche Infektionsgefahr. Neben den unmittelbaren Folgen, die eine Wasserknappheit mit sich bringt, stellen auch die mittelbaren Folgen ein erhebliches Problem dar. Die Nahrungsmittelproduktion und infolgedessen auch die Ernährungssicherheit vieler Menschen verschlechtert sich zunehmend (Dr. Benjamin Schraven, Der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Migration, in: Bundeszentrale für politische Bildung, 21.01.2019). Lebensnotwendige Ressourcen verknappen und bringen als mittelbare Wirkung eine gesteigerte Gefahr von Bürgerkriegen und Verfolgung innerhalb der Landesgrenzen mit sich. Nach Schätzung des Weltklimarates IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) werden bis 2050 rund 150 Millionen Menschen aufgrund von Wasserknappheit auf der Flucht sein (vgl. UNO Flüchtlingshilfe, Was hat der Klimawandel mit Flucht zu tun?). Dies entspricht in etwa der Bevölkerungszahl von Russland. Noch größer gedacht, bedeuten 150 Millionen Menschen, dass 1,9 % der Weltbevölkerung auf der Flucht sein wird.
Im öffentlichen Diskurs und in der Politik finden sich einige Ansätze zum Umgang mit Umweltmigration. Grundsätzlich wird beim politischen Umgang mit Klimamigration nach der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) zwischen präventiven und reaktiven Maßnahmen unterschieden (Foresight, Migration an Global Environmental Change 2011). Dabei zielen präventive Maßnahmen auf die Verhinderung von Migrationsursachen, zum Beispiel durch die Verminderung von Treibhausgasen oder durch den Einsatz von Adaptionsmaßnahmen ab, während reaktive Maßnahmen sich auf die Steuerung und den Schutz von Migrationsbewegungen konzentrieren (vgl. Müller/Haase/Kreienbrink et al., Klimamigration. Definitionen, Ausmaß und politische Instrumente in der Diskussion. In: BAMF (Hrsg.), WorkingPaper, Nr. 45, 2012: 37).
Der erste Aspekt dieser Ansätze ist die Anerkennung von Umweltveränderungen als Ursache von Umweltmigration. Auch das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 verweist auf den Klimawandel als Ursache für Wanderungsbewegungen und schlägt Ansätze zur Verhinderung von Vertreibung vor. Für die Umweltpolitik ist entscheidend, den Klimawandel und die globale Erwärmung im Rahmen des Pariser Klimaabkommens auf unter 2°C gegenüber dem vorindustriellen Wert bis zum Ende des Jahrhunderts zu begrenzen (vgl. Ranke, Klima und Umweltpolitik, 2019: 122). Darüber hinaus sollten effektive Klimaanpassungsmaßnahmen zur Prävention von humanitären Krisen etabliert werden, sodass umweltbedingte Migrationsursachen und die Treibhausgasemissionen verringert werden.
Präventive entwicklungspolitische Maßnahmen können die Vulnerabilität von Regionen verringern und die Auswirkungen des Klimawandels entschärfen, insbesondere ist der Katastrophenschutz vor Ort essenziell. Die Unterstützung von Umwelt- und Migrant:innenorganisationen vor Ort könnten die Adaptionsprojekte in den Heimatländern unterstützen (vgl. BMZ, Migration, Chancen für Entwicklung nutzen, BMZ Informationsbroschüre, 4/2011). In der Entwicklungszusammenarbeit werden Klimaaspekte bereits in konkreten Projekten berücksichtigt. Darüber hinaus sollten in der Entwicklungspolitik die im Handlungsfeld „Migration und Entwicklung“ bestehenden Ansätze um klimabedingte Faktoren erweitert werden.
Ein weiterer Aspekt ist die Anerkennung und Ermöglichung von Migration, damit Migration und Flucht als notwendige und gewünschte Vorsorgemaßnahmen für einen Katastrophenfall akzeptiert werden und ein verbindlicher internationaler Umgang für Schutzsuchende zur legalen Migration beschlossen werden kann (vgl. Ionesco/Moknacheva/Gemenne, Atlas der Umweltmigration, 2017: 122f.). In diesem Zusammenhang wurde angeregt, die Genfer Flüchtlingskonvention, um den Aspekt Umweltmigration zu erweitern, damit auch Umweltmigrant:innen ein dauerhaftes Aufenthalts- und Bleiberecht zusteht (vgl. Conisbee/Simms, Environmental refugees – the case for recognition, 2003). Ein weiterer Vorschlag ist, ein neues Klimaflüchtlingsregime zu etablieren, um environmentally-displaced persons auf institutioneller Ebene zu unterstützen und zu schützen (vgl. Müller/Haase/Kreienbrink et al., Klimamigration. Definitionen, Ausmaß und politische Instrumente in der Diskussion. In: BAMF (Hrsg.), WorkingPaper, Nr. 45, 2012: 50). Das internationale Klimaregime hat die United Nations Framework Convention on Climate Change in den vergangenen Jahren um den Teilaspekt Klimamigration erweitert. Darüber hinaus wurde 2015 in Genf die Nansen-Initiative von 109 Statten, inklusive Deutschland, unterschrieben, die von den Ländern Schweiz und Norwegen verabschiedet wurde, um Menschen, die von Naturkatastrophen vertriebenen werden, Schutz für grenzüberschreitende Migration zu bieten.
Des Weiteren muss der Rahmen für die temporäre oder dauerhafte Ansiedlung im Aufnahmeland oder die Umsiedlung in andere Staaten von Umweltmigrant:innen geschaffen werden. Auf dieser Ebene sind infolgedessen koordinierte Umsiedlungsmaßnahmen oder dauerhafte Neuansiedlungen essenziell, bei denen die Betroffenen aktiv in Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Darüber hinaus ist die Bereitschaft von Zielländern und die Zusammenarbeit zwischen Nachbar- und Transitländern entlang der Migrationsrouten für die Realisierung eines globalen Migrationsrahmens (vgl. Müller/Haase/Kreienbrink et al. 2012: 43).
Abschließend lässt sich sagen, dass bereits seit Jahren immer mehr Menschen aufgrund von Auswirkungen des Klimawandels auf der Flucht sind und die Umweltmigration nicht bloß ein Begriff der Zukunft sein wird. Wenn die Zahl der Umweltmigrant:innen ansteigt, bringt das wiederum eine Ressourcenknappheit in den Ländern mit sich, in die die Menschen flüchten und befördert weiter den Klimawandel. Um einen ausreichenden Schutz für Umweltmigrant:innen zu schaffen und das Ziel des Pariser Klimaabkommens erreichen zu können, müssen die betroffenen Länder durch präventive Maßnahmen unterstützt werden und der Klimawandel muss endlich ein anerkannter Fluchtgrund werden.