Flucht aus Afghanistan – was war, was ist, was wird?

Verfasst von Karina Purenkov und Mailin Loock

Ein Überblick über die rechtlichen Entwicklungen für afghanische Schutzsuchende in Deutschland

Die Bilder und Nachrichten aus Afghanistan halten derzeit die Welt in Atem. Dies nehmen wir zum Anlass, die rechtliche Situation afghanischer Schutzsuchender in Deutschland im Verlauf der letzten Jahre zu betrachten und einen Ausblick unter Berücksichtigung der veränderten Sachlage zu wagen.

I. Ein Blick zurück – was bisher geschah

Bevor wir uns den rechtlichen Implikationen der aktuellen Geschehnisse für afghanische Schutzsuchende in Deutschland zuwenden, lohnt ein Blick auf die Entwicklung der letzten Jahre. Wie hat sich die Schutzquote von Afghan*innen im deutschen Asylverfahren entwickelt? Wie kam es 2016 zur Wiederaufnahme der Abschiebungen nach Afghanistan? Wie ist es den Abgeschobenen nach ihrer erzwungenen Rückkehr ergangen? Und inwiefern ließ sich die Entwicklung der Schutzquote und die Wiederaufnahme der Abschiebungen mit der Lage vor Ort in Einklang bringen?

1. Entwicklung der Schutzquote seit 2015

Während die bereinigte Schutzquote für afghanische Asylsuchende 2015 noch 78 % betrug, lag diese 2018 nur noch bei 52 %, stieg im Jahr 2019 auf 63 % und stabilisierte sich 2020 auf ähnlichem Niveau bei 62 %. Die bereinigte Schutzquote weist die Anerkennungen als schutzberechtigt aus, wobei formelle Entscheidungen (wie Dublin-Entscheidungen) außer Acht bleiben. Die nicht-bereinigte Schutzquote betrug 2020 nur 37 %. Beachtlich ist, dass seit 2015 ca. jeder zweite angefochtene Bescheid afghanischer Schutzsuchender durch die Verwaltungsgerichte für rechtswidrig befunden und entgegen der vorausgehenden Bescheidung des BAMF ein Schutzstatus zugesprochen wurde. Zuletzt wurden 2020 knapp 60% der angefochtenen Entscheidungen afghanischer Schutzsuchender durch die Verwaltungsgerichte aufgehoben, 2021 lag diese Quote sogar bei 76 % (ausgenommen wurden bei dieser Betrachtung die sonstigen Verfahrenserledigungen bspw. durch Klagerücknahme).

Diese Zahlen verdeutlichen, dass die BAMF-Entscheidungspraxis den de facto bestehenden Schutzbedarf afghanischer Geflüchteter über viele Jahre hinweg nicht angemessen berücksichtigt hat. In seinen negativen Bescheiden berief sich das BAMF oftmals auf interne Fluchtalternativen, beispielsweise in Kabul oder Herat.

2. Wiederaufnahme der Abschiebungen 2016

In der politischen Debatte, die seit 2015 bekanntlich zunehmend von Bestrebungen um Migrationsabwehr bestimmt ist, wurden Fragen nach dem Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch mit der Legitimität der Asylanträge von Afghan*innen vermengt. Aufgrund des militärischen Einsatzes und der geleisteten humanitären Hilfen äußerte der damalige Innenminister de Maizière 2015: „Da kann man erwarten, dass die Afghanen in ihrem Land bleiben.“ Er sprach Afghan*innen öffentlich den Schutzbedarf ab und Angela Merkel stimmte mit ein, indem sie Afghan*innen davor warnte, auf der Suche nach einem besseren Leben nach Deutschland zu kommen und sie damit als „Wirtschaftsflüchtlinge“ delegitimierte. Das erklärte Ziel der Bundesregierung war es, gemeinsam mit der afghanischen Regierung dafür zu sorgen, dass es mehr Rückführungen nach Afghanistan geben soll „und dass die Entscheidungspraxis anders wird.“

Dieses Narrativ kulminierte 2016 in einem Rücknahmeabkommen der Bundesregierung und der EU mit Afghanistan, das die EU mit einem milliardenschweren Hilfspaket honorierte. Damit war der Weg für eine Wiederaufnahme der Abschiebungen nach Afghanistan geebnet. Es folgte eine Neubewertung der Lage durch das Auswärtige Amt am 3.11.2015, in der erstmals von „sichereren Regionen“ die Rede war (Habbe, Asylmagazin 3/2017: 90). Die oftmals vorgebrachte Kritik, dass sowohl die sinkende Anerkennungsquote des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, als auch die bis zuletzt beschönigenden Lageberichte des Auswärtigen Amtes politisch motiviert waren, ist mithin kaum von der Hand zu weisen. An dieser Abschiebepraxis hielt Deutschland bis Anfang August 2021 fest, obgleich Afghanistan bereits 2019 und 2020 u.a. vom Global Peace Index als gefährlichstes Land der Welt, noch vor dem Jemen und Syrien, eingestuft wurde. 

Seit Dezember 2016 bis einschließlich Juli 2021 wurden insgesamt 1.104 Menschen im Rahmen von 40 Sammelabschiebungen nach Afghanistan abgeschoben. Einige Abschiebungen konnten durch juristische Interventionen engagierter Migrationsrechtsanwält:innen gestoppt werden (wie zuletzt die Abschiebung zweier afghanischer Personen aus Hamburg im Juli 2021). Mehrfach stoppte auch das Bundesverfassungsgericht Abschiebungen in letzter Sekunde (u.a. mit Beschluss v. 9.2.2021 – 2 BvQ 8/21, Beschl. v. 14.12.2016 – 2 BvR 2557/16).

3. Wie ist es den Abgeschobenen in Afghanistan ergangen?

Der Frage, wie es den Abgeschobenen nach ihrer Abschiebung ergangen ist, ist Friederike Stahlmann in einer Studie nachgegangen, in der sie die Erfahrungen von 113 zwischen Dezember 2016 und März 2020 abgeschobenen Afghanen dokumentierte. Ihre Auswertung zeigt, dass über 90% der Abgeschobenen in Afghanistan Gewalt erlebten, darunter gezielte Gewalt und Verfolgung seitens der Taliban wegen eines vermeintlichen Verrates durch die Flucht in den Westen oder seitens der Familie, der Öffentlichkeit oder des Staates aufgrund angenommener oder tatsächlicher Straffälligkeit in Deutschland, dem Vorwurf der Verwestlichung oder Apostasie. Neben derart gezielten Gewalthandlungen waren die Abgeschobenen, wie auch die übrige Zivilbevölkerung, allgemeiner Gewalt durch Kampfhandlungen, Zwangsrekrutierungen und Kriminalität ausgesetzt. Der soziale Ausschluss, der die Abgeschobenen durch die Stigmatisierung als verwestlichte, erfolglose Rückkehrer und vermeintliche Kriminelle trifft, mache auch die Hoffnung der Abgeschobenen auf minimale Existenzsicherung zunichte. Dabei stellt Friederike Stahlmann klar, dass etwaige dahingehende Hoffnungen angesichts der eskalierenden extremen Armut (< 1,90 US-$/Tag), die bereits vor der Pandemie 93 % der Zivilbevölkerung betroffen habe, auch ohne sozialen Ausschluss kaum realistisch gewesen wären. Der soziale Ausschluss versperre den Abgeschobenen zudem den Zugang zu medizinischer Versorgung, sowie zum Arbeits- und Wohnungsmarkt. Nur ein einziger der Befragten fand existenzsichernde Arbeit (bei der US-Armee). Daher seien 69 % der Befragten bereits wieder ausgereist – per Visumsverfahren zurück nach Deutschland oder durch erneute Flucht. Die Übrigen – bis auf einen – planten ebenfalls ihre Flucht oder Rückkehr. Zwei Abgeschobene nahmen sich unmittelbar nach der Ankunft in Afghanistan das Leben (Stahlmann, Erfahrungen und Perspektiven abgeschobener Afghanen, Juni 2021, 3-4, 16, 33, 41). Von mindestens einer weiteren abgeschobenen Person ist bekannt, dass diese bei einem Bombenanschlag verstarb.

4. Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung seit der Machtübernahme der Taliban

Die Kritik an den Abschiebungen riss nie ab, wenngleich sie bis zu den jüngsten Geschehnissen größtenteils aus der öffentlichen Debatte verschwunden war. Die Eskalation der letzten Wochen und die rasche Rückeroberung sämtlicher afghanischer Provinzen durch die Taliban, geben den kritischen Stimmen auf grausame Weise recht.

Am 8.7.21 hatte die afghanische Regierung die europäischen Staaten ersucht, aufgrund der zugespitzten Sicherheitslage für drei Monate die Abschiebungen auszusetzen. Davon zeigte sich die Bundesregierung zunächst unbeeindruckt. Am 3.8.21 sollte die nächste Sammelabschiebung aus München über Wien stattfinden. Der EGMR stoppte die österreichische Abschiebung, Deutschland setzte die Abschiebung seinerseits nur aufgrund mehrerer Detonationen in Kabul und einer unklaren Sicherheitsprognose bei Ankunft des Fluges kurzfristig aus. Innenminister Seehofer drängte noch am 5.8.21 in einem Brief gemeinsam mit anderen EU-Staaten gegenüber der EU-Kommission darauf, an den Abschiebungen festzuhalten und dahingehend Druck auf die afghanische Regierung auszuüben. Daraufhin forderten 26 Hilfsorganisationen sowie die verbliebenen EU-Botschafter*innen in Kabul einen Abschiebestopp. Erst am 11.8.2021 lenkte das Bundesinnenministerium ein und verkündete, vorerst (!) von weiteren Abschiebungen abzusehen, nicht ohne hinzuzufügen, dass Straftäter*innen und Gefährder*innen abgeschoben werden, sobald es die Lage wieder zuließe.

II. Die Rechtsprechung zum Schutzstatus afghanischer Geflüchteter    

Nach diesem Rückblick auf die politischen Entscheidungen, die auf Grund oder vielmehr trotz der Lage in Afghanistan getroffen worden sind, betrachten wir im Folgenden die Rechtsprechung zum Schutzstatus asylsuchender Afghan:innen.

Hier legen wir ein besonderes Augenmerk auf die Entscheidungen zum subsidiären Schutzstatus sowie den Abschiebungsverboten, die über Einzelfälle hinausgehende Wertungen enthalten.

1. Der Anspruch auf subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG

Für die Gewährung subsidiären Schutzes wird gem. § 4 I AsylG ein „ernsthafter Schaden” im Sinne von Art. 15 Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU, im Folgenden: QRL) vorausgesetzt, der als Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder eine unmenschliche oder erniedrige Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts, näher klassifiziert wird.

Wenn die schutzsuchende Person einen ernsthaften Schaden auf Grund der bestehenden Gefährdungslage in ihrem Herkunftsland geltend macht, ist hierfür regelmäßig § 4 I 2 Nr. 3 AsylG, die ernsthafte individuelle Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes, einschlägig. 

Nachdem sich in der nationalen Rechtsprechung eine Fokussierung auf die Individualität der Bedrohung, im Sinne einer spezifischen Betroffenheit der einzelnen Person, abzeichnete (Bank, NVwZ 2009: 696), stellte der EuGH bereits 2009 klar, dass diese Variante des subsidiären Schutzes keine solche spezifische Betroffenheit voraussetzt. Denn die Gefahren willkürlicher Gewalt in bewaffneten Konflikten betreffen regelmäßig alle Zivilpersonen ungeachtet ihrer Identität. In dieser Entscheidung spezifizierte der EuGH, wann sich eine allgemeine Gefahr, die sich aus einem bewaffneten Konflikt ergibt, zu einer individuellen Bedrohung gem. § 4 I 2 Nr. 3 AsylG verdichtet. Eine solche Verdichtung ist dann anzunehmen, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung von Leib und Leben im Sinne des Art. 15 lit. c QRL ausgesetzt zu sein (Urteil vom 17. Februar 2009, Elgafaji, C‑465/07, Rn. 35).

Angelehnt an diese Rechtsprechung arbeiteten die deutschen Verwaltungsgerichte, nicht zuletzt das Bundesverwaltungsgericht, zur Bestimmung der Gefahrendichte mit einer zahlenmäßigen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos, indem die zivilen Opfer des bewaffneten Konfliktes einer Region oder eines Landes zur Gesamtzahl der Bevölkerung ins Verhältnis gesetzt wurden (sog. body-count). Dabei wurde angenommen, dass zwingend eine bestimmte Schwelle überschritten werden müsse, damit sich aus der bloßen Anwesenheit einer schutzsuchenden Person in der Region, eine „ernsthafte individuelle Bedrohung” ergeben könne. Zwar hat das BVerwG diesen Wert nie genau benannt, es wurden allerdings Regionen auf Grund eines Wertes von 1:800 als hinreichend sicher eingestuft. In der Rechtsprechung blieb bei einem Unterschreiten dieser Mindestopferschwelle eine weitere Abwägung oder wertende Gesamtbetrachtung aus (Mantel, Asylmagazin 7-8/2021: 287). 

Keine Region Afghanistans erfüllte diesen nicht näher spezifizierten Schwellenwert. Im Übrigen wurden Schutzsuchende bei innerstaatlich divergierenden Sicherheitslagen gemäß § 4 III i.V.m. § 3e AsylG grundsätzlich auf interne Fluchtalternativen in sichereren Regionen verwiesen, sofern eine Existenzsicherung dort möglich erschien (BVerwG, Urteil vom 18.02.2021 – 1 C 4/20, Rn. 13). Im Zuge der skizzierten Spruchpraxis wurde tausenden Asylsuchenden aus Afghanistan der subsidiäre Schutz verwehrt. 

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg legte die Frage, ob der beschriebene rein quantitative Ansatz zur Bestimmung des Merkmales der „ernsthaften individuellen Bedrohung“ genügt, dem EuGH vor. Dieser wies einen solchen in seinem Urteil vom 10.06.2021 als widersprüchlich zu den Zielen der QRL zurück, allen Personen, die subsidiären Schutz benötigen, einen solchen Schutz zu gewähren. Zwar betrachtet der EuGH das Verhältnis ziviler Opfer zur Bevölkerung zur Bestimmung der Bedrohung nicht als per se ungeeignet. Allerdings wies er deutlich darauf hin, dass die fehlende Überschreitung einer solchen Schwelle für sich genommen nicht ausreicht, um daraus einen systematischen Ausschluss der „ernsthaften individuellen Bedrohung“ und damit des subsidiären Schutzes zu schlussfolgern. 

Für die deutschen Gerichte bedeutet dies, dass sie die Quote weiterhin in ihrer Entscheidung berücksichtigen können. Eine Auseinandersetzung mit der tatsächlichen Lage in der Herkunftsregion der schutzsuchenden Personen sowie sämtlichen Umständen des Einzelfalles ersetzt dies allerdings nicht. Bei der zur Beurteilung der ernsthaften, individuellen Bedrohung gebotenen Gesamtbetrachtung sind nach dem EuGH insbesondere die Faktoren der Intensität der bewaffneten Auseinandersetzung, der Organisationsgrad der beteiligten Streitkräfte und die Dauer des Konflikts zu berücksichtigen (EuGH, Urt. v. 10.6.21, C‑901/19, Rn. 43).

In besonders gelagerten Fällen wurde subsidiärer Schutz nicht nach § 4 I 1 Nr. 3 AsylG („bewaffneter Konflikt“) gewährt, sondern nach § 4 I  1 Nr. 2 („unmenschliche Behandlung“), etwa an Frauen, die vor der eigenen Familie flohen, um einer Zwangsheirat zu entgehen – allerdings häufig auch erst durch das Verwaltungsgericht, nicht schon durch das BAMF.

2. Abschiebungsverbote gem. § 60 V, VII AufenthG

Somit verblieb Schutzsuchenden aus Afghanistan in Deutschland bis dato häufig nur die Hoffnung auf eine Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 V, VII AufenthG, insbesondere gemäß § 60 V AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK.

Art. 3 EMRK sieht vor, dass niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf. In besonderen Fällen können auch schlechte humanitäre Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen (EGMR, Urteil vom 21.01.2011 – 30696/09, M.S.S. v. Belgium and Greece) und dadurch ein menschenrechtliches Abschiebungsverbot nach § 60 V AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK auslösen.

Ein solches wurde regelmäßig für besonders vulnerable Personen (z.B. wegen Vorerkrankungen oder mangelnder Sprachkenntnisse), sowie alleinstehenden Frauen und Familien anerkannt. Für erwerbsfähige, alleinstehende Männern erachteten das BAMF und die Verwaltungsgerichte ein Leben am Rande des Existenzminimums – und damit unterhalb der Schwelle einer Verletzung des Art. 3 EMRK – im Falle einer Rückkehr regelmäßig für möglich (Hupke, Asylmagazin 3/2021: 60). In diesen Fällen sahen die Gerichte in einer Rückkehr z.B. nach Kabul und in die Region Masar-e Sharif regelmäßig keine existentielle Gefahr für die Schutzsuchenden (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 30.11.2020 – 13 A 11421/19; BayVGH, Urteil vom 14.11.2019 – 13a B 19.33359). An dieser Einschätzung hielten einige Gerichte auch trotz rasanter Ausbreitung der Covid-19 Pandemie und der damit zwangsläufig einhergehenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage und humanitären Lebensbedingungen für Rückkehrende fest (VGH München, Urteil vom 26.10.2020 – 13a B 20.31087; OVG Hamburg, Urt. v. 25.3.2021 – 1 Bf 388/19.A; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.11.2020 – 13 A 11421/19; Hupke, Asylmagazin 3/2021: 60-65).

Ein Teil der Rechtsprechung ging bei der Bewertung der Lage deutlich stärker auf die Risiken der Pandemie ein und rückte von dieser restriktiven Rechtsprechung ab. So gewährten einige (Ober-)Verwaltungsgerichte nunmehr Abschiebungsverbote aufgrund drohender Verelendung, sofern nicht im Einzelfall begünstigende Umstände wie bspw. persönliche Qualifikationen, finanzielle Rücklagen, ein vorhandenes familiäres Unterstützungsnetzwerk oder eine ausgeprägte persönliche Belastbarkeit vorlagen. Dagegen wurden spiegelbildlich erschwerende Umstände abgewogen, wie die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit, das Aufwachsen im Iran und die fehlende Vertrautheit mit den afghanischen Verhältnissen (vgl. OVG Bremen, Urteil vom 24.11.2020 – 1 LB 351/20; VG Köln, Urt. v. 25.3.2021 – 14 K 7043/17.A; VG Berlin, Beschl. v. 26.4.2021 – 9 L 100/21 A).

Damit erhöhten diese Gerichte die Anforderungen an die „Durchsetzungsfähigkeit“ der Betroffenen, bevor für sie ein (Über-)Leben am Rande des Existenzminimums bei einer Rückkehr nach Afghanistan als realistisch erachtet wurde. Anstatt davon auszugehen, dass für junge, gesunde, alleinstehende Männer ein Abschiebungsverbot einzig dann anzunehmen ist, wenn diese für sich besonders erschwerende Umstände geltend machen können, wurde nunmehr angenommen, dass es vielmehr besonders begünstigender Umstände bedarf, um für Rückkehrende eine realistische Chance auf ein Leben, zumindest am Rande des Existenzminimum, zu prognostizieren.

Besonders hervorzuheben ist dabei ein Urteil des VGH Baden-Württemberg, der sich in beeindruckender Genauigkeit mit den verschiedensten Aspekten der Situation Afghanistans auseinandersetzte, auf die die Covid-19 Pandemie einen negativen Einfluss hatte. Dadurch kam der VGH zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen eines Abschiebeverbotes nach § 60 V AufenthG i.V.m Art. 3 EMRK für Afghanistan aktuell regelmäßig erfüllt seien. (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 17.12.2020, A 11 S 2042/20). Dennoch muss das Nicht-Vorliegen begünstigender Umstände durch die klagende Person zur Überzeugung des Gerichts dargelegt werden (Frey/Schloss, ZAR 2021: 132).

Wie wir gesehen haben, hat sich keine einheitliche obergerichtliche Rechtsprechung in dieser Frage herausgebildet. Für Schutzsuchende, genauso wie für Beratende verdeutlicht dies: eine konsequente Anerkennung der Schutzbedürftigkeit von Menschen aus Afghanistan blieb in Deutschland noch bis kurz vor der Machtübernahme der Taliban aus. Die Chance einen menschenrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 60 V AufenthG zu erhalten, war leider in der Praxis oft nicht allein davon abhängig, welcher Situation die schutzsuchende Person in Afghanistan tatsächlich ausgesetzt worden wäre, sondern auch in erheblichem Maße davon, welche Anforderungen die verschiedenen Gerichte an die Schwelle der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung gem. Art. 3 EMRK stellten. Beobachter sprachen von einer „Asyl-Lotterie“.

III. Ausblick: rechtliche Implikationen der aktuellen Geschehnisse für afghanische Schutzsuchende in Deutschland

Es soll nunmehr ein Blick nach vorn geworfen werden, welche Fragen sich seit der Machtergreifung der Taliban für Geflüchtete aus Afghanistan im hiesigen Asylverfahren stellen und welche Perspektiven sich Schutzsuchenden – je nach Stand des Verfahrens – bieten.

Auf die vielleicht drängendste Frage, wie Menschen, die in Afghanistan festsitzen, den Taliban entkommen sollen und welche sicheren und legalen Fluchtwege ihnen eröffnet werden, gibt es keine zufriedenstellende Antwort. Diesbezügliche Handlungsbedarfe werden jedoch hier, hier und hier thematisiert (laufend aktualisierte Hinweise zur Ausreise: https://www.nds-fluerat.org/50123/aktuelles/ausreise-aus-afghanistan-aktuelle-informationen/).

1. Im laufenden Asyl- oder Klagverfahren

Die Machtergreifung der Taliban macht eine Neubewertung der Lage erforderlich, da der letzte Bericht des Auswärtigen Amtes aus dem Juli 2021 schon seinerzeit stark beschönigend, nunmehr indes vollends überholt ist. Dies nahmen das BAMF und die meisten Gerichte zum Anlass, ihre Entscheidungen in laufenden Verfahren auszusetzen und vorerst abzuwarten.

a) Verfolgung durch die Taliban – Chance auf Flüchtlingsanerkennung

Es wird jedoch zu beachten sein, dass Schutzsuchende, die eine Verfolgung durch die Taliban oder andere nicht-staatliche Akteur*innen geltend machen, nicht mehr – wie bisher üblich – gemäß § 3e AsylG darauf verwiesen werden können, in anderen Landesteilen Zuflucht zu finden (sog. interne Fluchtalternative). Denn die Taliban haben inzwischen nach eigenen Angaben sämtliche Provinzen erobert. Zudem gibt es keine inländischen Akteur*innen, auf deren Schutz Flüchtende bei einer Verfolgung durch die Taliban gemäß § 3d AsylG verwiesen werden könnten. In der Anhörungsvorbereitung sollte daher im Hinblick auf eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sehr präzise auf eine mögliche asylrelevante Verfolgung eingegangen werden. In Betracht kommt auch ohne individuelle Vorverfolgung die Geltendmachung einer Gruppenverfolgung, bspw. für Frauen, die sich nicht den Geboten der Taliban unterwerfen, Angehörige ethnischer oder religiöser Minderheiten, die im Fadenkreuz islamistischer Milizen und der Taliban stehen (insbesondere Hazara) sowie freilich derjenigen Personen, denen aufgrund ihrer Arbeit – sei es für NGOs, Medien, Gemeinden, internationale Streitkräfte o.ä. – oder ihres Aktivismus für Frauen- und Menschenrechte eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt wird. Zwar erscheint die Annahme von weitreichenden Gruppenverfolgungen im Lichte der aktuellen Berichterstattung aus humanitären Gesichtspunkten naheliegend und notwendig. In der Praxis ist die Rechtsprechung mit der Annahme von Gruppenverfolgungen allerdings sehr zurückhaltend. Die spezifische Gefahrenlage der aufgeführten Gruppierungen sollte daher zwar stärker in den Fokus rücken. Dennoch ist die individuelle Fluchtgeschichte weiterhin im Detail zu erheben und darzustellen und sollte durch die gruppenbezogenen Aspekte vielmehr ergänzt als ersetzt werden. Da es gemäß § 77 I AsylG stets auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt, sind auch bei Schutzsuchenden, die bereits vor langer Zeit ausgereist sind, hypothetische Erwägungen im Hinblick auf eine drohende Verfolgung bei einer fingierten Rückkehr bspw. aufgrund einer Verwestlichung zu treffen (vgl. zu diesem Fluchtgrund Damson-Asadollah, Asylmagazin 5/2020: 150-158).

b) Subsidiärer Schutz – die EuGH Entscheidung im Lichte der aktuellen Entwicklung

Nach der vielbeachteten, zuvor dargestellten Entscheidung des EuGHs zum subsidiären Schutzstatus wurde mit Spannung ihre Umsetzung in der nationalen Rechtsprechung erwartet. Vom Verwaltungsgericht Hamburg (Kammer 1) wurde sie jedoch zunächst lediglich dergestalt umgesetzt, dass weiterhin als erster Schritt der body-count-Ansatz als maßgebliches Indiz für das Vorliegen einer individuellen Gefährdung herangezogen wurde. Fehlte es an einem für erheblich erachteten Tötungsrisiko, wurde anschließend eine Gesamtbetrachtung anhand der vom EuGH dargelegten Kriterien vorgenommen. Dabei galt: je höher die allgemeine Gefährdung, umso geringer die Darlegungsanforderungen an die individuelle Betroffenheit und umgekehrt (VG Hamburg, Urt. v. 11.6.2021, 1 A 1132/19). In der Sache änderte sich zunächst nichts an der Verwehrung des subsidiären Schutzes, ebenso in der Praxis des Bundesamtes. Erst unter dem Eindruck des Vormarsches der Taliban gewährte das VG Hamburg kurz vor dem Fall Kabuls einer Familie subsidiären Schutz unter besonderer Berücksichtigung ihrer Vulnerabilität als Binnenflüchtlinge (VG Hamburg, Urt. v. 13.8.2021, 1 A 5113/20).

Tragischerweise zeichnet sich ab, dass die veränderte Rechtsprechung zu § 4 I 2 Nr. 3 AsylG Schutzsuchenden seit der Machtübernahme der Taliban nicht mehr zugutekommen könnte. Denn: in einer Lesart der Geschehnisse, die eine restriktive Schutzgewährung bezweckt, wird nunmehr teilweise vorgebracht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt – der nach der Rechtsprechung wohl mindestens zwei bewaffnete Konfliktparteien voraussetzt (vgl. EuGH, Urt. v. 10.6.21, C‑901/19, Rn. 32) – in Afghanistan (vorerst) beendet sei. Dem kann entgegen gehalten werden, dass der bewaffnete Konflikt keinesfalls für beendet erklärt werden kann, da es weiterhin bewaffnete Gruppen gibt, die eine Konsolidierung der Macht durch die Taliban mit bewaffnetem Widerstand oder Bombenanschlägen zu verhindern suchen. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich der weitere Konflikt entwickelt und wie das BAMF und die Gerichte die Risiken der Zivilbevölkerung für Leib und Leben aufgrund andauernder Kampfhandlungen oder Anschläge bewerten. Unter der Prämisse der (rechtlichen Anerkennung der) Fortdauer eines innerstaatlichen, bewaffneten Konfliktes spricht vieles dafür, dass nach der jüngsten Eskalation der Gewalt für alle Zivilist*innen eine ernsthafte, individuelle Bedrohung gegeben ist. Denn: der EuGH stellt auch klar, dass einem tatsächlich bestehenden Schutzbedarf mit einer weiten Auslegung des Bedrohungsbegriffs zu begegnen ist (EuGH, Urt. v. 10.6.2021, C‑901/19 Rn. 34, 39). Die beschriebenen Kriterien des EuGH, insbesondere die Dauer des Konfliktes (genau genommen über 40 Jahre) und der Organisationsgrad der Konfliktparteien (der Taliban, aber auch der aus dem Untergrund agierenden IS-Khorasan) ermöglichen durchaus eine für die Schutzsuchenden günstigere Entscheidung. Im Einzelfall könnte der subsidiäre Schutz auch gemäß § 4 I 2 Nr. 2 AsylG aufgrund drohender Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung zu gewähren sein.

c) Abschiebungsverbote aufgrund der aktuellen humanitären Lage

Angesichts der humanitären Katastrophe, die sich in Afghanistan zuträgt, dürften jedenfalls Abschiebungsverbote – unabhängig von einer besonderen Vulnerabilität – festzustellen sein. Entsprechend bieten wohl einige Gerichte, die ihre Verfahren nicht ausgesetzt haben, afghanischen Kläger*innen derzeit im Vergleichswege Abschiebungsverbote an. Dieses „Angebot“ sollte im Einzelfall anhand der individuellen Fluchtgründe erwogen werden. Wie dargelegt, können durchaus Chancen auf die Gewährung eines besseren Schutzstatus bestehen, jedoch wird diesbezüglich auf unabsehbare Zeit vorerst keine Entscheidung fallen. Aus gebotener Vorsicht sollten freilich auch im Hinblick auf die Feststellung von Abschiebungsverboten stets sämtliche Umstände des Einzelfalles, die eine besondere Schutzbedürftigkeit begründen, herausgearbeitet und dargelegt werden (vgl. § 25 I 1 AsylG). Andere Verwaltungsgerichte gewährten jüngst alleinstehenden, erwerbsfähigen Männern ohne mündliche Verhandlung Abschiebungsverbote nach § 60 V AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (VG Oldenburg, Urt. v. 8.9.21, 4 A 6547/17; VG Hannover, Urt. v. 6.9.21, 15 A 1664/21).

Sofern wider Erwarten „alte“, ablehnende Bescheide des BAMF zugestellt werden, sollte unbedingt fristgemäß Klage erhoben werden.

2. Vorgehen bei „evakuierten“ Personen

Für Personen, die im Zuge der Evakuierungen nach Deutschland gelangt sind, ist derzeit umstritten, ob sie reguläre Asylverfahren durchlaufen müssen oder ohne weitergehende Prüfung Aufenthaltstitel nach § 22 S. 2 AufenthG gewährt werden. Zunächst sind sowohl Ortskräfte als auch andere aufgenommene Personen im Besitz eines Visums mit Gültigkeit für 90 Tage. Vor dessen Ablauf sollte dringend bei der zuständigen Ausländerbehörde ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 22 S. 2 AufenthG gestellt werden. Auch wenn das BAMF teilweise gegenteiliges suggeriert, sollte von einer übereilten Stellung von Asylanträgen (vorerst) abgesehen werden, da diese gemäß § 55 II AsylG das humanitäre Visum bzw. nach § 51 I Nr. 8 AufenthG eine etwaige Aufenthaltserlaubnis nach § 22 S. 2 AufenthG zum Erlöschen bringen.

3. Perspektiven für „Abgelehnte“ – Wege aus der Duldung

Zurzeit leben ca. 31.000 ausreisepflichtige Afghan*innen in Deutschland, deren Asylantrag bestandskräftig abgelehnt wurde; die meisten von ihnen im Status der Duldung. Welche Perspektive eröffnet sich ihnen und was gilt es im Hinblick auf einen Asylfolgeantrag zu beachten?

Sofern geduldete Afghan*innen keine Beschäftigungserlaubnis besitzen, da ihnen die Vereitelung aufenthaltsbeendender Maßnahmen bspw. durch mangelnde Mitwirkung bei der Identitätsklärung vorgehalten wurde (§ 60a VI 1 Nr. 2 oder § 60b AufenthG), sollten diese nun eine Beschäftigungserlaubnis beantragen. Denn aufgrund des aktuellen Abschiebestopps haben sie die Unmöglichkeit ihrer Abschiebung nicht zu vertreten und unterliegen damit nicht den Beschäftigungsverboten der §§ 60a VI 1 Nr. 2 bzw. 60b V 2 AufenthG. Anstelle einer Duldung nach § 60b AufenthG (Duldung light) ist entsprechend eine einfache Duldung nach § 60a AufenthG zu erteilen.

Aufenthaltsrechtliche Bleibeperspektiven nach §§ 25a, 25b, 25 V, 19d oder 60c, 60d AufenthG sollten fortlaufend geprüft werden. Wenn eine Aufenthaltssicherung über eine der genannten aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen in Betracht kommt, sollte diese Möglichkeit zuerst ausgeschöpft werden, da diese eine vollziehbare Ausreisepflicht voraussetzen, d.h. nur für geduldete Personen gelten. Sobald ein Asylfolgeantrag vom BAMF für zulässig befunden und ein erneutes Asylverfahren durchgeführt wird, erhalten Schutzsuchende eine Aufenthaltsgestattung (vgl. §§ 71 I, V, 55 AsylG), sodass die Tatbestandsvoraussetzung der Duldung (jedenfalls vorübergehend) entfiele. Zudem kann über den aufenthaltsrechtlichen Weg voraussichtlich früher ein gesichertes Bleiberecht erwirkt werden, als über einen Asylfolgeantrag (aufgrund der Aussetzung der Entscheidungen in Asylverfahren afghanischer Personen auf unabsehbare Zeit).  Zu beachten ist darüber hinaus, dass gem. § 51 I Nr. 8 AufenthG die Aufenthaltserlaubnis aufgrund eines Abschiebungsverbotes nach § 25 III AufenthG bei Stellung eines Asylantrags erlischt. Das BAMF wendet diese Regelung ebenso auf Asylfolgeanträge an, sodass Risiko und Chancen eines solchen mit rechtlichem Beistand sorgfältig abgewogen werden müssen.

Im Übrigen – in Fällen lediglich geduldeter Afghan*innen ohne aufenthaltsrechtliche Perspektive – dürften Asylfolgeanträge durchaus erfolgversprechend und jedenfalls nicht schädlich sein. Gemäß § 71 I 1 AsylG i.V.m. § 51 I-III VwVfG ist ein negativ abgeschlossenes Asylverfahren u.a. wieder aufzugreifen, wenn sich die Sachlage nachträglich zugunsten der Betroffenen geändert hat, d.h. eine günstigere Entscheidung zumindest möglich erscheint. Die Machtergreifung der Taliban ist ohne Zweifel als Änderung der Sachlage zu qualifizieren, die sich im Asylverfahren zugunsten der Schutzsuchenden niederschlagen kann (s.o.). Dies dürfte insbesondere gelten, wenn ein Schutzstatus zuvor lediglich wegen vermeintlicher interner Fluchtalternativen verwehrt wurde. Gem. § 51 III VwVfG ist der entsprechende Antrag innerhalb von drei Monaten ab Kenntnis des Wiederaufgreifensgrundes zu stellen. Sofern sich Schutzsuchende in ihrem Asylfolgeantrag nicht auf spezifische Umstände aus der persönlichen Sphäre berufen, sollte vorsichtshalber auf den Fall Kabuls am 15.8.2021 abgestellt werden und bis zum 15.11.2021 vorsorglich ein Asylfolgeantrag beim Bundesamt gestellt werden. Neben der allgemeinen Lage sollte stets bzgl. einer individuellen Gefährdung vorgetragen werden.

4. Fazit

Die Erfolgsaussichten von afghanischen Schutzsuchenden im hiesigen Asylverfahren haben sich durch die jüngsten Geschehnisse verbessert. Die individuellen Fluchtgründe sollten dennoch in jedem Einzelfall sorgfältig herausgearbeitet werden. Für geduldete Afghan*innen bieten sich verschiedene Perspektiven der Aufenthaltssicherung, die unter Berücksichtigung der dargelegten Fallstricke abzuwägen sind. Wie sich das BAMF und die Rechtsprechung im Hinblick auf die aufgeworfenen Fragen positionieren, bleibt abzuwarten.

Aufgrund der Aktualität des Themas, können hier dargestellte Praxen schnell überholt sein. Der Beitrag findet sich auf dem Erkenntnisstand des Bearbeitungszeitpunktes (13.9.21).

Wir danken Rechtsanwälten Heiko Habbe und Björn Stehn für die wertvollen Anmerkungen.