In diesem Artikel wird es um ein grundlegendes Bedürfnis der Geflüchteten gehen: in Deutschland zu wohnen. Um ein neues Zuhause zu finden und ein neues selbstbestimmtes Leben anzufangen, ist der Einzug in eine eigene Wohnung für die Meisten essentiell. Doch welche Hürden müssen sie dafür überwinden und wie können sie dabei am besten unterstützt werden?
Die freie Entscheidung, aus- oder umzuziehen, wird von den meisten Deutschen nicht als Privileg, sondern als Selbstverständlichkeit wahrgenommen. Hinsichtlich des Wohnortes sind Deutschen keine gesetzlichen Grenzen gesetzt, lediglich finanzielle Einschränkungen können eine faktische Begrenzung der Wohnauswahl darstellen. Für Geflüchtete sieht bereits die Ausgangslage anders aus, da sie häufig mit landesrechtlichen Wohnsitzbeschränkungen konfrontiert werden, die ihnen bestimmte Orte verwehren, um den Wohnungsmarkt zu entlasten. Neben solchen rechtlichen Problemen, auf die wir hier nicht näher eingehen wollen, gibt es auch viele praktische Hürden für Geflüchtete, die auf dem privaten Wohnungsmarkt ein neues Zuhause finden wollen: mangelnde Informationen, Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache und vor allem Vorurteile von Vermieter*innen.
Der Wechsel auf den privaten Wohnungsmarkt kann bereits dadurch erschwert werden, dass Informationen über die Möglichkeit und den Zeitpunkt eines Auszugs in eine private Wohnung ausbleiben. Somit wissen viele Geflüchtete gar nicht, dass sie – je nach Bundesland – etwa auch während eines laufenden Verfahrens eine eigene Wohnung suchen können, wie es beispielsweise in Berlin der Fall ist.
Unabhängig vom ausbleibenden Informationsfluss sind es vor allem strukturelle Probleme des privaten Wohnungsmarktes, die sie vor besondere Schwierigkeiten stellen. Jedem Studierenden ist bekannt, wie prekär die Wohnungssuche in beliebten Universitätsstädten sein kann. Wir haben mit jungen Geflüchteten über ihre Erfahrung gesprochen.
Oftmals führt bereits ihr ausländisch klingender Name bei der Wohnungssuche dazu, dass Einladungen zu Besichtigungsterminen gänzlich ausbleiben. Die meisten Student*innen werden erlebt haben, wie schwierig es ist, neben hunderten anderen Wohnungssuchenden eine bezahlbare Wohnung zu finden. Vielen ist dabei gar nicht bewusst, was es bedeutet, wenn nicht die Menge der Mitbewerber*innen die größte Schwierigkeit darstellt, sondern der eigene Name. Entspricht man aufgrund eines nicht deutsch klingenden Namens schon kategorisch nicht der von vielen Vermieter*innen erwünschten Vorstellung, bedeutet dies in erster Linie eins: Ansprüche herunterschrauben. Gerade für geflüchtete Familien ist dies aber nicht ohne Weiteres möglich, denn sie benötigen mehr Wohnraum als alleinstehende Geflüchtete, wobei dieser trotzdem bezahlbar sein muss, berichtet uns Beate A.
Seit 2015 engagiert sie sich ehrenamtlich beim Verein Flüchtlingshilfe Flammersfeld und begleitet Geflüchtete in verschiedensten Lebenssituationen. Mittlerweile unterstützt sie Geflüchtete unter anderem auch bei der Wohnungssuche. Über das Internet oder die Zeitung sind die Möglichkeiten dabei sehr beschränkt, es seien viel zu häufig Vorbehalte im Spiel. Wenn sie sich auf Onlineplattformen nach Wohnungen umschaut, informiert sie Vermieter*innen daher lediglich darüber, dass sie für einen jungen Mann suche, nicht aber, dass dieser beispielsweise aus Afghanistan geflüchtet ist. Eine weitere Methode, um eine (un)bewusste Diskriminierung zu verhindern, ist das “Leihen eines deutschen Namens”. Das erzählte uns Rajit, welcher viel Erfahrung mit Diskriminierung aufgrund seines Namens gemacht hat. Zu seinen Anfragen auf Wohnungsanzeigen erhält er oftmals keine Rückmeldung. Wenn er dann Jenny, seine Frau, die einen deutschen Nachnamen trägt, bittet, sich ebenfalls auf diese Anzeigen zu melden, bekam sie oftmals umgehend eine Antwort. Diese Erfahrung ist kein Einzelfall, er berichtet von vielen Freunden, denen es ähnlich ergeht.
Das Vorhandensein von grundsätzlichen Vorbehalten gegenüber Geflüchteten spiegelt sich auch in den Ergebnissen einer Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes von 2019 wider. Hiernach haben nur 25% der Vermieter*innen gar keine Bedenken eine Wohnung an eine eingewanderte Person zu vermieten. Über die Gründe einer solchen kategorischen Ablehnung lässt sich an dieser Stelle nur mutmaßen. Unter Zugrundelegung einer Expertise des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung und der Aussagen unserer Gesprächspartner ist anzunehmen, dass eine solche Einstellung oftmals durch die Angst vor Konflikten mit Nachbarn, mangelnder Mülltrennung und Sprachbarrieren hervorgerufen wird.
Dass eine geflüchtete Person den häuslichen Frieden stören könnte, wird teilweise auch unvermittelt durch Vermieter*innen zum Ausdruck gebracht. Auch Rajit erfuhr unterschwellige Diskriminierung bei Besichtigungsterminen. Ihm ist vor allem aufgefallen, dass viele Vermieter*innen ausschließlich mit seiner Frau Jenny reden, während er selbst kaum beachtet wird, als spräche er kein Deutsch. Auch als Kompliment gemeinte Sätze wie: „Ach, ich habe Sie ja ganz anders eingeschätzt, Sie sind ja sehr sympathisch!” drücken in erster Linie aus, welch negative Erwartung Vermieter*innen allein aufgrund des Namens haben.
Erfolgreich ist eine Wohnungsvermittlung meist nur über soziale Kontakte, wie etwa die Nachbarschaftshilfe oder einen Sportverein, stellt Beate A. abschließend fest. Ihr ist es wichtig, bei Wohnungsbesichtigungen ebenfalls anwesend zu sein, vor allem um Kommunikationsschwierigkeiten vorzubeugen. Hierbei wird immer wieder deutlich, dass gute Deutschkenntnisse auch die Aussicht auf eine erfolgreiche Wohnungssuche steigern. Respektvolles Auftreten und das Nachweisen einer Ausbildungsstelle sind hilfreich, aber letztlich keine Garantie. „Wenn nach einem Termin die Wohnung plötzlich vergeben ist, darf man nicht zurückschrecken“, erzählt sie, auch wenn ihr bewusst ist, dass ablehnende Verhaltensweisen der Vermieter*innen während Wohnungsbesichtigungen nicht spurlos an den Geflüchteten vorbeigehen.
Beate A. hat aber trotz dieser Schwierigkeiten die Erfahrung gemacht, dass jede bemühte geflüchtete Person eine Wohnung finden kann. Ein Student, den wir ebenfalls interviewt haben, berichtete uns, dass er durch seine Universität unproblematisch an ein staatliches Studierendenwohnheim vermittelt werden konnte. Hierbei ist ihm jedoch bewusst, vor welchen Problemen er stünde, wenn er die deutsche Sprache nicht so gut beherrschen würde. Ohne das System zu kennen und zu wissen, welche Unterlagen wo eingereicht werden müssen, stünde man vor großen Herausforderungen.
Das Erlebnis der jetzigen Krisensituation können wir also als Anlass nehmen, uns mit den Menschen auseinanderzusetzen, die durch viel frühere Krisen dazu bewegt wurden, ihr Land zu verlassen und nach Deutschland zu kommen. Integration endet nicht mit dem Sprachkurs und die möglichen Hilfestellungen damit auch nicht mit dem Nachhilfe geben. Es ist wichtig, sich darüber bewusst zu werden, wie wichtig und auch banal Hilfestellung sein kann: durch das Bieten sozialer Kontakte. Denn letztlich ist es das, was die Türen öffnet, nicht nur bei der Wohnungssuche, sondern in jeglichen Lebensbereichen.