Ein wesentliches Ziel und Bestreben von geflüchteten Personen, die ihren Weg nach Deutschland gefunden haben, ist es, letztlich aus der Gemeinschaftsunterkunft in eine eigene Wohnung ziehen zu dürfen. Dies vermutlich vor allem, weil eine eigene Wohnung einen besseren Schutz der Privatsphäre, mehr Freiheiten und Ruhe bietet, zumal auch Gewalt besonders gegenüber eher vulnerablen Gruppen vermehrt in Gemeinschaftsunterkünften beobachtet wird. Gerade in Zeiten von Corona fällt der Blick auch auf hygienische Mängel in den Gemeinschaftsunterkünften. Allgemein scheinen die Chancen auf eine erfolgreiche Integration leichter, wenn man nicht in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnt. Für viele geflüchtete Personen ist es ein erstrebenswertes Ziel, in eine eigene Wohnung ziehen zu dürfen. Dieser Artikel beschäftigt sich mit den Anforderungen und Hürden eines solchen Auszugs und versucht diesen Schritt der Integration näher zu beleuchten und auch für Personen ohne eine juristische Ausbildung zugänglich zu machen.
Nachdem ein*e Ausländer*in einer Gemeinde zugeteilt wurde, ist diese für dessen Unterbringung verantwortlich. Wie diese der Verpflichtung nachkommt, liegt zwar grundsätzlich in ihrer Verantwortung, oft jedoch folgt eine Unterbringung des Ausländers bzw. der Ausländerin in einer Gemeinschaftsunterkunft (Bergmann/Dienelt, 13. Aufl. 2020, AsylG § 53 Rn. 9). Die Verpflichtung in einer solchen zu wohnen besteht dann, wenn der/die Ausländer*in nicht mehr verpflichtet ist in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen und dies von der Ausländerbehörde angeordnet wurde i.S.d. § 60 Abs. 2 Nr. 1 AsylG (vgl. Erbs/Kohlhaas/Hadamitzky/Senge, 233. EL 2020, AsylG § 53 Rn. 3).
Die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften ist in § 53 AsylG geregelt und betrifft im ersten Absatz zunächst die Personen, die einen Asylantrag gestellt haben, aber die noch auf den Abschluss ihres Asylverfahrens warten. Durch den Wortlaut der Norm, dass solche Ausländer*innen “in der Regel” in Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen sind, wird schon deutlich, dass es Ausnahmen geben muss, wobei dann die Interessen und Belange der geflüchteten Person mit den öffentlichen Interessen gegeneinander abgewogen werden müssen (vgl. NK-AuslR/Keßler, 2. Aufl. 2016, AsylVfG § 53 Rn. 8). Unabhängig von dieser möglichen Ausnahme ergeben sich die Voraussetzungen für das Ende der Verpflichtung in der Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen aus dem zweiten Absatz der Vorschrift. Dieser Beitrag konzentriert sich auf letzteren. Aus § 53 Abs. 2 AsylG ergeben sich im Wesentlichen drei Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen. Zum einen muss der/die Ausländer*in zum berechtigten Personenkreis gehört und zudem in der Lage sein, eine taugliche anderweitige Unterkunft nachweisen zu können. Hinzu kommt, dass der öffentlichen Hand dadurch keine Mehrkosten entstehen dürfen. Diese einzelnen Voraussetzungen werden im Folgenden näher erläutert.
Zunächst wird der Personenkreis, der von § 53 Abs. 2 AsylG umfasst wird, dargelegt. Wann eine geflüchtete Person nicht mehr verpflichtet ist, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, ergibt sich vermeintlich bereits aus dem Wortlaut. Grundsätzlich soll die Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Gemeinschaftsunterkunft enden, wenn die geflüchtete Person einen bestimmten Schutzstatus erlangt hat. Dies kann aufgrund der Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über einen gestellten Antrag, oder aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung, welche das Bundesamt zur Anerkennung dieses Status verpflichtet, der Fall sein. Gerichtliche Entscheidungen in diesem Sinne sind dabei solche im Hauptsacheverfahren und nicht bloß im vorläufigen Rechtsschutz (BeckOK AuslR/Heusch, 27. Ed .2020, AsylG § 53 Rn. 27).
Als Asylberechtigte*r, und somit von § 53 Abs. 2 AsylG umfasste Person, wird anerkannt, wer den grundrechtlichen Schutz vor politischer Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG zuerkannt bekommen hat (BeckOK AuslR/Preisner, 27. Ed. 2020, AsylG § 1 Rn. 6, 7). Darüber hinaus werden aber auch gemäß § 53 Abs. 2 S. 2 AsylG diejenigen Personen umfasst, denen der internationale Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zuerkannt wurde. Darunter fallen Ausländer*innen, die die Flüchtlingseigenschaft, oder den subsidiären Schutzstatus haben, nicht aber Personen, für die ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG greift (VG Würzburg Urt. v. 8.11.2018 – 1 K 18.31805, BeckRS 2018, 28885, Rn. 12). Besonders herauszustellen ist vor allem die Tatsache, dass auch im Falle einer negativen Entscheidung über einen Antrag beim BAMF, die Verpflichtung in der Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen entfallen kann, wenn die geflüchtete Person gegen diese Entscheidung Rechtsmittel eingelegt hat. Entfällt die Verpflichtung weiterhin in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, so besteht diese Verpflichtung auch gemäß § 53 Abs. 2 S. 3 AsylG für die Kernfamilie der Person von nun an nicht mehr.
Konnte man nun feststellen, dass die betroffene Person grundsätzlich eine Berechtigung hätte, nicht weiter in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, muss außerdem das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen gewährleistet sein. Dazu gehört zuallererst der Nachweis einer anderweitigen Unterkunft, in die die geflüchtete Person umziehen möchte. Es ist dabei grundsätzlich die Aufgabe des Antragstellers eine geeignete Unterkunft eigenständig zu suchen. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass sich die Wohnung innerhalb der fortgeltenden räumlichen Aufenthaltsbeschränkungen befindet, oder eine entsprechende Zusage für die Änderung des Aufenthaltsbereichs gemäß § 60 Abs. 2 AsylG bereits vorliegt (vgl. Bergmann/Dienelt, 13. Aufl. 2020, AsylG § 53 Rdn. 27).
Am Punkt der Wohnungssuche können sich leider bereits die ersten und vermutlich auch größten Hürden auf dem Weg zum Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft ergeben. Auf der einen Seite ist an etwaige sprachliche Barrieren zu denken, an die Wohnungsknappheit vor allem in großen Städten und Ballungsgebieten, aber auch an Kostenrisiken, die entstehen können.
Ein bereits abgeschlossener Mietvertrag wird zwar grundsätzlich nicht verlangt, jedoch muss eine „sichere Möglichkeit“ auf eine anderweitige Unterkunft nachgewiesen werden (Bergmann/Dienelt, 13. Aufl. 2020, AsylG § 53 Rn. 25). Das Haftungsrisiko, das damit einhergehen würde, bereits einen Mietvertrag abzuschließen, kann dem Antragsteller nicht auferlegt werden. Was genau aber nun unter einer derartigen „sicheren Möglichkeit“ zu verstehen ist, kann dem Gesetz leider nicht genau entnommen werden. Zu denken wäre aber beispielsweise an eine Zusicherung über das Zustandekommen eines Mietvertrages, bei Genehmigung des Auszuges, durch den zukünftigen Vermieter. Sind diverse sprachliche Barrieren und auch die Mitbewerber am umkämpften Wohnungsmarkt zunächst überwunden, können sich an dieser Stelle neue Hürden ergeben. Denn viele Vermieter sind bereit, möchten sogar sehr gerne unterstützen, indem sie an geflüchtete Personen vermieten, wollen oder können aber das Risiko, welches ihrerseits mit einer derartigen Zusicherung einhergeht, nicht eingehen. Denn sie müssten sodann die Wohnung bis hin zur Entscheidung der Behörden freihalten und sehen sich somit der Gefahr finanzieller Verluste ausgesetzt. Insbesondere im Falle einer negativen Entscheidung.
Noch zuvor muss aber darauf geachtet werden, dass es sich bei der anderweitigen Unterkunft um eine taugliche Unterkunft handelt. Ziel dieser Voraussetzung ist es vor allem zu vermeiden, dass Personen aus den Gemeinschaftsunterkünften in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. BeckOK AuslR/Heusch, 27. Ed. 2020, AsylG § 53 Rn. 29). Dabei werden keine sonderlich hohen Anforderungen an die künftige Unterkunft gestellt. Sie muss grundsätzlich dazu geeignet sein, dort angemessen wohnen und schlafen zu können (Bergmann/Dienelt, 13. Aufl. 2020, AsylG § 53 Rn. 25).
Zuletzt soll noch darauf hingewiesen werden, dass es sich nicht um eine so genannte Zwischenmiete handeln darf. Die Mietdauer der anderweitigen Unterkunft sollte also eine gewisse Dauerhaftigkeit aufweisen können. Was genau darunter zu verstehen ist, ist im Einzelfall zu beurteilen. Bereits vorab auszuschließen sind aber Mietverträge, die bloß auf wenige Monate angelegt sind (vgl. BeckOK AuslR/Heusch, 27. Ed. 2020, AsylG § 53 Rn. 31).
Letztlich darf die Befreiung von der Verpflichtung nicht zu Mehrkosten für die öffentliche Hand führen. Dabei sind die Kosten, die bei einer Unterbringung in der Gemeinschaftsunterkunft mit jeglichen Kosten zu vergleichen, die der öffentlichen Hand entstehen, wenn der/die Ausländer*in in eine anderweitige Unterkunft zieht (vgl. BeckOK AuslR/Heusch, 27. 2020, AsylG § 53 Rn. 33). Beachtlich sind sämtliche Kosten der öffentlichen Hand, also auch Sozialhilfen, Wohnhilfen und ähnliche Leistungen. Ob dabei unmittelbar für Private Kosten entstehen, ist jedoch irrelevant. Regelmäßig ist davon auszugehen, dass die Kosten bei der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft höher sind, weshalb dieses Erfordernis aus § 53 Abs. 2 AsylG wohl kein unüberwindbares Problem darstellen dürfte (vgl. Bergmann/Dienelt, 13. Aufl. 2020, AsylG § 53 Rn.28). Die Beweislast für die öffentlichen Kosten trägt die Ausländerbehörde. Diese hat von Amts wegen zu ermitteln, ob Mehrkosten für die öffentliche Hand entstehen, wobei der/die Ausländer*in jedoch angehalten ist, auch im eigenen Interesse, mitzuwirken. Ohne das Ergebnis, dass keine Mehrkosten für die öffentliche Hand anfallen, bleibt die Wohnauflage bestehen (vgl. Bergmann/Dienelt, 13. Aufl. 2020, AsylG § 53 Rn. 32)
Insgesamt wurden die vom Bundesgesetzgeber gestellten Voraussetzungen an einen Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft dargelegt, darüber hinaus kommt es jedoch stets auf den Einzelfall an, wobei regional Unterschiede an die konkreten Anforderungen bestehen können. Empfehlenswert ist es also mit der ansässigen Behörde in Kontakt zu treten oder ggfs. Kontakt zu Organisationen aufzunehmen, die den Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft begleiten können.