Der Gedanke, dass Europa für Muslime das ist, was der Iran für Nichtmuslime ist, ist sicherlich nicht erfreulich. Dass Minderheiten Westeuropa verlassen müssen, wie Menschen Afghanistan verlassen, wirkt kaum realistisch. Als entwickelte Region sieht man sich gar nicht erst in der Lage, Herkunftsstaat flüchtender Menschen zu sein. Ja, osteuropäische Staaten weisen autokratische Tendenzen auf, allerdings herrscht in Westeuropa doch eine freiheitlich demokratische Grundordnung. Also dürfte es doch gar keinen Fluchtgrund für Muslime geben. Doch genau hier liegt das Problem für: In der konkreten Umsetzung der freiheitlich demokratischen Grundordnung.
Einige Staaten fallen besonders häufig durch Menschenrechtsverletzungen auf. In diesen Staaten herrscht zum Teil Armut, Krieg oder Terrorismus. Politische und religiöse Minderheiten werden in diesen Staaten besonders stark verfolgt und erleiden enormen Druck.
So dürfte es kein Geheimnis sein, dass die christliche Minderheit in der Türkei systematisch diskriminiert und marginalisiert wird. Christliche Frauen werden dazu gezwungen, Kopftücher zu tragen und Kirchen dürfen nach außen hin nicht als solche erkennbar sein, sodass Kirchen in der Türkei keine den europäischen Kirchen typische Architektur haben. Darüber hinaus werden bestehende Kirchengemeinden in der Türkei durch staatliche Stellen beobachtet. Insbesondere fällt die Türkei dadurch auf, dass sie Vorwände wie Spionage und Staatsfeindlichkeit nutzt, um christliche Vereine aufzulösen. Christen dürfen keine amtliche Position bekleiden. Zuletzt entließ man einen Soldaten, als sich herausstellte, dass er Christ sei. Das staatliche Vorgehen gegen die christliche Minderheit führte nicht zuletzt zu mehreren Anschlägen gegenüber Christen und christlichen Einrichtungen. Da Christen in der Türkei in der Regel griechischen Ursprungs sind, besteht die Chance, sie an äußerlichen Merkmalen auszumachen, sodass christliche Bürger auch in ihrem Privatleben mit Ausgrenzung und Diskriminierung rechnen müssen, die vom Staat nicht verhindert werden. Kurz: Die christliche Minderheit in der Türkei wird staatlich verfolgt.
Ich bin mir sicher, all das zuvor Gesagte haben Sie ohne große Zweifel als wahr angenommen und ohne nach Ausreden zu suchen für rechtswidrig empfunden. Die Vorwürfe oben sind allerdings frei erfunden. Wenn Sie aber schon dabei sind, die Verfolgung von religiösen Minderheiten ohne Wenn und Aber für rechtswidrig und verwerflich zu empfinden, dann bleiben Sie dran, denn die obigen Aussagen haben etwas Wahres an sich: In Europa wird tatsächlich eine religiöse Minderheit verfolgt; und zwar die muslimische Minderheit.
Ob die These etwas an sich hat, hängt davon ab, wie man Verfolgung definiert. Ganz grob kann man folgende Definition übernehmen: „Politisch verfolgt ist, wer „wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib oder Leben oder Beschränkungen seiner persönlichen Freiheit ausgesetzt ist oder solche Verfolgungsmaßnahmen begründet befürchtet.“(BVerfGE 67, 184; v. Arnauld in v. Münch/Kunig, GGK I, 6. Aufl. 2012, Art. 16a Rn. 13).
Der Begriff sei allerdings eng zu fassen, sodass nicht jede Verfassungswidrigkeit eine Verfolgung darstelle. Vielmehr müsse die „Beeinträchtigung von Rechtsgütern“ den Betroffenen in eine „ausweglose Lage“ bringen (BVerfGE 74, 51).
Ausschlaggebend sei, dass die Menschenwürde beeinträchtigt werde (Mannsen, § 30 Rn. 737).
Befinden sich Muslime tatsächlich in einer ausweglosen Lage dadurch, dass ihre Rechtsgüter beeinträchtigt werden?
Die Vorstellung fällt schwer. Der Gedanke, dass Europa für Muslime das ist, was der Iran für Nichtmuslime ist, ist sicherlich nicht erfreulich. Dass Minderheiten Westeuropa verlassen müssen, wie Menschen Afghanistan verlassen, wirkt kaum realistisch. Als entwickelte Region sieht man sich gar nicht erst in der Lage, Herkunftsstaat flüchtender Menschen zu sein. Ja, osteuropäische Staaten weisen autokratische Tendenzen auf, allerdings herrscht in Westeuropa doch eine freiheitlich demokratische Grundordnung. Also dürfte es doch gar keinen Fluchtgrund für Muslime geben. Doch genau hier liegt das Problem: In der konkreten Umsetzung der freiheitlich demokratischen Grundordnung.
In Westeuropa leben mehrere Millionen Muslime. Die Gesamtzahl der Muslime in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Frankreich, den Niederlanden, Belgien und dem Vereinigten Königreich beträgt ca. 16 Millionen. Eine genaue Anzahl lässt sich mangels statistischer Erfassung nicht nennen. Es besteht die Möglichkeit, dass die tatsächliche Zahl stark abweicht. Der Anteil der Muslime in Deutschland beträgt ca. 6,5%, in Frankreich ca. 8,2 % und im Vereinigten Königreich 5,2%. Die meisten der Muslime kamen nach dem Zweiten Weltkrieg als Gastarbeiter. Zum Teil kommen die Muslime aus alten Kolonien der westeuropäischen Staaten, wie es im Vereinigten Königreich und in Frankreich der Fall ist. Allerdings gibt es auch konvertierte Muslime, die nicht aus dem Ausland kommen bzw. keinen Migrationshintergrund haben. Der Status der muslimischen Minderheiten in den Ländern ist unterschiedlich. Eines haben jedoch alle westeuropäischen Staaten gemeinsam: Es herrschen strikte Regeln, die das Leben der Muslime eingrenzen.
Das Leben und die Freiheit muslimischer Bürger wird in Westeuropa durch unzählige Verbote eingeschränkt. Diese Regelungen betreffen Bekleidungsvorschriften, den Bau von Moscheen, die Meinungsfreiheit der Muslime, das Gründen und Führen von Vereinen und sogar die Essgewohnheiten. Ja, auch die Essgewohnheiten der Muslime muss man regulieren.
Es ist das Jahr 2021. Sie haben mit Strafgeld zu rechnen, wenn sie ihr Gesicht zeigen, denn es herrscht Maskenpflicht. Es ist das Jahr 2021. Sie haben mit Strafgeld zu rechnen, wenn sie ihr Gesicht nicht zeigen, denn es herrscht Burkaverbot. Tatsächlich herrschen in den meisten westeuropäischen Staaten Burkaverbote, da das Zeigen des Gesichts zu einer offenen Gesellschaft gehöre. Während Gesundheitsbedenken wohl Grund genug sind um vom Erfordernis der offenen Gesellschaft abzusehen, ist Religion nicht Grund genug. Wer über den Stellenwert und die Bedeutung der Religion entscheidet? Natürlich der säkulare, der neutrale, der objektive Staat.
Genau dieser säkulare, freiheitlich demokratische Staat verbietet muslimischen Frauen die Emanzipation. Ob es nun das Burkaverbot in der Öffentlichkeit, das Kopftuchverbot für Beamtinnen, das Kopftuchverbot für Mütter, die ihre Kinder beim Schulausflug begleiten möchten oder das Kopftuchverbot für Schülerinnen ist, ist zweitrangig. Für all die Verbote lassen sich Gründe finden. Mal der Säkularismus, den es zu schützen gelte, mal die Erfordernisse einer offenen Gesellschaft, mal das Neutralitätsgebot.
Das Kopftuch gilt als ein muslimisches Symbol, das es aus der Öffentlichkeit zu verdrängen gilt. Die Schweiz, die ohnehin mit großem Eifer auf jeden Verbotszug aufspringt, hatte sich in der Vergangenheit dazu entschieden, das Verbot muslimischer Symbolik nicht beim Kopftuch und anderer muslimischer Kleidungsart zu belassen. So entschied man sich für ein Minarettverbot. Der Grund: Das Aufhalten der Islamisierung. Sehr überzeugend, nicht?
Natürlich gab es in der Schweiz auch Stimmen, die sich gegen ein Minarettverbot aussprachen. Diesen Stimmen zufolge sei „die Kontrolle der Aktivitäten in einer Moschee“ wichtiger, als die Thematik rund um das Minarettverbot. Das heißt also, der Islam gilt als etwas, das man auf irgendeine Weise kontrollieren muss. Wie man Muslime beobachten und einschränken kann, da herrscht Uneinigkeit.
Das Verbot der Schächtung und das Verbot der Beschneidung sind ebenfalls Dauerbrenner. Während es bereits Orte in Westeuropa gibt, die sich solcher Verbote bedienen, kommen auch in anderen Gebieten Westeuropas ab und an solche Verbotsdiskussionen auf.
Das ist natürlich nur der Anfang. Muslime werden übermäßig häufig vom Staat beobachtet. In Deutschland übernimmt der Verfassungsschutz diese Aufgabe. Es geht soweit, dass man die größte islamische Vereinigung beobachtet und ihr dauerhaft Spionage und Staatsfeindlichkeit vorwirft. In Österreich hat man sich einer neuen Idee bedient: Die Islamlandkarte. Eine Liste mit allen Moscheen im Land, die es ermöglicht, die Moscheen in verschiedene Kategorien zu packen. Natürlich hat man dafür gesorgt, dass die Adressen der jeweiligen Moscheen gut kenntlich waren. Man bezwecke somit mehr Transparenz. Ob man damit mehr Transparenz erreicht hat, sei dahingestellt. Erreicht hat man definitiv eine Zeitreise, aber leider in die Vergangenheit. Die Schilder, die vor Moscheen auftauchten und vor dem vermeintlichen politischen Islam in der Nähe warnten, erinnern einen an die Vorkriegszeit, in der man vor Juden warnte. So hatte ich mir Zeitreisen nicht vorgestellt.
In Deutschland kam es vor kurzem zum Verbot der Hilfsorganisation Ansaar International. Der Vorwurf war natürlich die Finanzierung des Terrorismus. Der Bundespräsident ordnete ein Vereinsverbot an. Beweise für die Vorwürfe? Davon kann man in diesem Lande für gewöhnlich absehen, wenn man nur oft genug vom Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung spricht.
Solche staatlichen Übergriffe auf muslimische Einrichtungen sind kein Einzelfall. Um den Rahmen nicht zu sprengen bleibt es aber bei diesem Beispiel. Wichtiger noch ist die Auswirkung der staatlichen Maßnahmen. Durch die dauernde Dämonisierung muslimischer Einrichtungen kam es im Jahre 2020 alleine in Deutschland zu 77 Übergriffen auf Moscheen und zu insgesamt 901 islamfeindlichen Straftaten. Dies ist lediglich die offizielle Zahl. In Österreich wurden im selben Jahr 1402 islamfeindliche Vorfälle registriert.
Die Einschränkung der Muslime betrifft auch die Sphäre der politischen Teilhabe. So kündigte der österreichische Kanzler Kurz an, einen Straftatbestand „Politischer Islam“ schaffen zu wollen. Somit verhindert man das Einbringen der Ideen, die auf dem Islam basieren und islamisch motivierte Kritik an bestehenden politischen Strukturen. Dies ist besonders ironisch, wenn in diesen Staaten Parteien existieren, die sich explizit christlich nennen. Dass der Islam eine Religion ist, die weitgehend alle Lebensbereiche, also auch die Politik, regelt, wird nicht beachtet. Ein Zurückgreifen auf diese Quellen führt dazu, dass man mit Kampfbegriffen wie Islamist, Salafist etc. betitelt wird. Der freie Meinungsaustausch wird von vornherein unterbunden. Nur staatlich bestätigte Lehren des Islam dürfen artikuliert werden. Das ist keine Religionsfreiheit.
Im Jahre 2019 entschied das OVG Koblenz, dass man als Zeitsoldat entlassen werden könne, wenn ein Mann sich weigert, einer Frau die Hand zu geben. Dies sei nicht vereinbar mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung und stünde im Widerspruch zur Gleichstellung von Mann und Frau. Das bedeutet also, Muslime darf man sogar aus dem Arbeitsleben entfernen, wenn sie selbstbestimmt mit ihrem Körper umgehen möchten. Pauschale Vorwände wie Freiheit, Demokratie und Gleichstellung werden genutzt, um einen künstlichen Konflikt zu schaffen, der in Wirklichkeit gar nicht existiert. Inwiefern man die Gleichstellung von Mann und Frau missachtet, wenn man als Mann oder Frau dem anderen Geschlecht die Hand nicht reichen möchte und wieso die freiheitliche Grundordnung in diesem Lande keine Beachtung mehr findet, wenn Muslime ihren Glauben frei ausleben möchten, bleibt ein Geheimnis. Allerdings ist das einfache Ausschließen aus dem Arbeitsleben nicht das Ende der Geschichte. Dem entlassenen Soldaten wird vorgeworfen, dass er zum Islam konvertiert, sein Erscheinungsbild bezüglich Bartwuchses und Bekleidung sowie sein Verhalten geändert habe. Dies begründe den Verdacht, dass er sich in einem religiös motivieren Radikalisierungsprozess befinde. Es gilt zu merken: Wenn man nicht aussieht und sich nicht verhält wie der durchschnittliche Bürger, dann ist man automatisch radikal. Damit stellt man ohne weiteres jeden Muslim als einen Extremisten dar, nur weil er einer anderen Lebensweise folgt.
An der Stelle darf man sich aber natürlich der Tatsache erfreuen, dass die Sicherheitskräfte in diesem Lande noch immer dominiert werden von durchschnittlich aussehenden Bürgern, die weitaus weniger radikale Handlungen vornehmen als einer Frau nicht die Hand zu geben, wie beispielsweise das Horten von Waffen, Abrufen von persönlichen Informationen, die im Anschluss bei Rechtsradikalen landen und das Gründen von rechtsradikalen Chats. Da ist man gleich erleichtert, dass wir keine Soldaten haben, die durch das Verweigern eines Handschlags die Verfassung bedrohen.
Das Problem ist allerdings noch lange nicht der Rechtsprechung eigen. In vielen westeuropäischen Staaten hört man islamophobe Aussagen seitens der Politiker, die in aller Regel unter dem Deckmantel der Islamkritik erfolgen. Bemerkenswert ist, dass diese Aussagen nicht nur von radikal Rechten, sondern auch aus der Mitte und vom linken Spektrum kommen. Islamfeindliche Politik wird schon lange nicht mehr nur durch die AfD, der Rassemblement National oder andere rechtsradikale Parteien gemacht. Gesundheitsminister Spahn sagte, dass es in Deutschland Straßen ohne Frauen gebe, und wenn man Frauen sehe, „dann mit Kopftuch“. Da fragt man sich gleich: Und jetzt? Inwiefern ist es ein Problem, Frauen mit Kopftüchern zu sehen? Eine solche Aussage dient nur der Narrative, dass Muslime fremd sind und ein vermehrtes Erscheinen der Muslime eine Problemlage begründet.
Weder die islamfeindliche Narrative noch die Verfolgung der Muslime in ihren ganzen Ausmaßen darzustellen ist mir in einem Artikel möglich. Diese oberflächliche Darstellung sollte Sie dazu bewegen, sich mehr mit der Thematik zu befassen.
Im Endeffekt hat man in vielen westeuropäischen Staaten eine Situation, in der radikal säkulare Regierungen versuchen, Religion und religiös begründete Handlungen, Erscheinungen und Ideen aus der Öffentlichkeit zu verdrängen und das alles unter dem Vorwand des Säkularismus, der Demokratie und der Freiheit. Dies begründet insbesondere eine Konfliktlage für Muslime, da die muslimische Identität für Praktizierende kaum zu verstecken ist. Westeuropa zwingt seine muslimischen Bürger, ihren Glauben zu verstecken und innerhalb der eigenen vier Wände auszuleben. Der Papst Franziskus nennt diese Art des Vorgehens eine „höfliche Verfolgung“. Der Begriff wird wie folgt interpretiert: „Dieser Begriff spiegelt den Siegeszug neuer ‚Rechte‘ bzw. kultureller Normen wider, die darauf abzielen, die Religion ‚zum Schweigen zu bringen und auf die Verborgenheit des Gewissens jedes Einzelnen zu beschränken oder sie ins Randdasein des geschlossenen, eingefriedeten Raums der Kirchen, Synagogen oder Moscheen zu verbannen‘. Diese neuen – gesetzlich verankerten – Normen führen dazu, dass die Rechte des Einzelnen auf Gewissens- und Religionsfreiheit in einen tiefen Konflikt mit der Verpflichtung zur Einhaltung dieser Gesetze geraten.“
Dass die Religionsfreiheit eben nicht nur das forum internum, also die innere Glaubensfreiheit, sondern ohne Wenn und Aber auch das forum externum, also das Recht zum öffentlichen Bekenntnis und die Freiheit zur Ausübung umfasst, wird willentlich und wissentlich ignoriert. Mit sich wiederholenden Floskeln grenzt man jedes Mal die Religionsfreiheit ein, die in der Verfassung vorbehaltslos gewährleistet wird. So viel zu den Verfassungsprinzipien und der freiheitlich demokratischen Grundordnung, die es zu verteidigen gelte.
Die Folgen der „höflichen Verfolgung“ zeigen sich langsam. Muslime verlassen Westeuropa nicht in Massen. Noch besteht die Hoffnung auf Besserung und noch besteht für einen Großteil der Muslime keine akute Lebensgefahr, wenn man Lebensgefahr als den drohenden Tod auslegen möchte. Allerdings sehen sich immer mehr praktizierende Muslime gezwungen, Westeuropa zu verlassen. Sahar Amarir fasst ihre Gründe für die Auswanderung aus Frankreich wie folgt zusammen: „I cannot ignore the fact that we first forbade veiled girls to go to school, that they had to be homeschooled, cut out of the rest of the society. I cannot forget that we refused to let veiled mothers to take part in school activities when every class is lacking volunteers. I cannot forget that we forbade them to work outside while veiled and then afterwards, we forbade them to be veiled while working at home as baby-sitters – I cannot forget we asked these women to take off their veil in their own homes!“
In weiteren Artikeln geben Muslime an, dass sie Westeuropa verlassen, weil sie keine Bürger zweiter Klasse mehr sein und sich nicht rechtfertigen möchten für die Person, die sie sind.
Bisher gibt es keine nennenswerten Studien, die die Flucht der Muslime als solche benennen. Es herrschen nur Erfahrungsberichte. Die Flucht geht also rein statistisch als einfache Auswanderung durch. Es wird zum Beispiel gleichgestellt mit der Migration eines weißen Deutschen in die USA, weil der Arbeitgeber dort einen höheren Lohn verspricht. Allerdings ist Migration, weil ein Job im Ausland mehr verspricht, nicht dasselbe wie eine Migration weil man systematisch diskriminiert, ausgeschlossen, in seiner freien Persönlichkeitsentfaltung und beim Sichern des Lebensunterhalts verhindert wird. Die Tatsache, dass die Flucht über sichere Wege folgt und man nicht mit dem Mittelmeer als Gefahrenquelle konfrontiert wird, macht eine Flucht nicht weniger bedeutend oder disqualifiziert sie nicht als solche. Das Auswandern der europäischen Muslime ist Flucht vor einer höflichen Verfolgung, die jedes Mal mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung legitimiert wird. Sie muss als solche benannt werden.